Nationalsozialismus

Bernt Engelmann: Die unfreiwilligen Reisen des Putti Eichelbaum, 6. Aufl., Göttingen 1996

Richard “Putti” Eichelbaum ist der Sandkastenfreund des Verfassers. Puttis Vater, Curt E., war ein prominenter Berliner Rechtsanwalt und Notar, der nicht die Illusion hegte, dass der braune “Spuk” bald wieder ein Ende haben würde. Angesichts der nach der “Machtergreifung” schnell einsetzenden Schikanen gegen die jüdische Bevölkerung floh er mit seiner Familie bereits im Juni 1933 in die Schweiz und von dort weiter nach Italien. Nachdem sie sich dort eine neue Existenz aufgebaut hatten, erreichte der NS-Terror sie aber auch dort. 1938 flohen sie erneut in die Schweiz und von dort 1939 nach Cuba. 1940 erreichten sie die USA.
   Die Hoffnung, dass es von nun an bergan gehen würde, erwies sich jedoch als trügerisch. Die Ersparnisse waren aufgebraucht und die Zahl der ins Land strömenden Flüchtlinge verschlechterte die ohnehin bescheidenen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich. Besonders Putti erwies sich in dieser Situation als wahrer (Über-)Lebenskünstler. Der Kriegseintritt der USA 1941 brachte jedoch einen erneuten Rückschlag mit sich: über Nacht wurden aus den Eichelbaums “feindliche Ausländer”.
   Das hinderte die Armee allerdings nicht daran Putti einzuziehen. Seine Karriere in Uniform darf man durchaus als “Köpenikiade” bezeichnen. Sie führte ihn durch mehrere Ausbildungslager, ins Militärgefängnis (wegen Kohabitation - er hatte sich heimlich mit einem weiblichen Oberleutnant verlobt), nach Omaha Beach und mit dem selben Schiff, das ihn dort hingebracht hatte, wieder zurück nach Plymouth. Von dort wurde er in Sondermission nach Rom geschickt, dann wieder an die Front und schließlich überschritt er als Mitglied des militärischen Geheimdienstes die Grenze nach Deutschland, um zuletzt nach Berlin zurückzukehren.

Engelmann pflegt einen überaus lesbaren Stil, der diese wahre Geschichte ebenso unterhaltsam macht wie Simmels “Es muss nicht immer Kaviar sein”. Darüber hinaus finden sich zahlreiche Stellen, von denen man sich wünscht, dass sie ein jeder lesen möge, der den Satz “Davon hat ja keiner was gewusst.” schon einmal gebraucht hat. Die Schilderung der Bedrängung, in die Deutsche jüdischer Abstammung bereits 1933 gerieten, ist beschämend. Und das gilt auch für das, was man über das Leben im Exil erfährt. Die Notlage der Flüchtlinge wurde immer wieder skrupellos ausgenutzt. Andererseits trafen die Eichelbaums auch immer wieder Menschen, die ihnen halfen, und auch davon zu erfahren, ist beeindruckend.

Dies ist ein Buch, das in Auszügen zum Kanon des Geschichtsunterrichts gehören sollte, das aber zugleich ungemein unterhaltend ist - und erfreulicherweise ein einigermaßen gutes Ende nimmt.