Hohenlohe

“Als Hohenlohe 1894 das Amt des Reichskanzlers übernahm, hoffte der Fünfundsiebzigjährige auf eine kurze Interimszeit. So hat ihn auch die Forschung ganz überwiegend gesehen: ein Greis, gezeichnet durch Altersmüdigkeit und zunehmende Resignation im Amt. Gegen dieses Bild schreibt der Autor. Mit Erfolg.”

Dieter Langewiesche in der FAZ, 25.5.2007

 

Der Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1819-1901) war von 1894 bis 1900 deutscher Reichskanzler. In der Forschungsliteratur wird er vor allem als schwacher Greis dargestellt und taucht daher in den gängigen Überblicksdarstellungen kaum auf.

Allerdings verfügte der Fürst über umfangreiche politische Erfahrung als bayerischer Ministerpräsident (1867-1870), deutscher Botschafter in Paris (1874-1884) und Statthalter in Elsaß-Lothringen (1884-1894). Da er sich auf keinem dieser Posten als forscher Politiker gezeigt hatte, liegt es nahe zu vermuten, daß er sich auch als Kanzler der Tugend der Zurückhaltung bediente. Dies um so mehr als Kaiser Wilhelm II. den öffentlichen Raum mit fieberhafter Ausschließlichkeit für sich beanspruchte.

Trotz aller verbaler Entgleisungen nach innen ("Handlangerrede", Drohungen gegen Sozialdemokraten) und außen (Krügerdepesche, "Platz an der Sonne", "Hunnenrede") blieb ein befürchteter konservativ-autoritärer Staatsstreich aus, während das Reich zugleich die außenpolitische Grundlage für die Einkreisung vor dem Ersten Weltkrieg schuf.

In diese Gemengelage ordnet sich der Fürst Hohenlohe als innenpolitischer Bewahrer ein, der einem Umsturz von oben ebenso unauffällig wie erfolgreich entgegenwirkte und damit den inneren Ausbau des Reiches ebenso wie eine Demokratisierung vorantrieb. Er unterstütze jedoch die Flottenpläne Tirpitz' als Äußerung eines gesunden nationalen Selbstbewußtseins, während Wilhelm II. außenpolitisch durch militärisches Vorgehen Fakten schuf, auf die der Reichskanzler kaum Einfluß hatte. Zudem zog sich der Fürst aus der Außenpolitik nach 1897 zurück, um seinem Wunschnachfolger, Bernhard Bülow, den nötigen Raum zur Entfaltung zu geben. Dies war keine Verdrängung, wie in der Forschung oft angenommen, sondern eine bewußte Entscheidung des Fürsten.

Eine Dissertation zu diesem Thema wurde im Sommersemster 2005 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn angenommen.  Sie ist beim Verlag Dr. Kovac in Hamburg erschienen.